Circa 25 Millionen Menschen gehören dem Sikhismus an. Damit ist er die fünftgrößte und zugleich jüngste Glaubensgemeinschaft der Welt.
Der Sikhismus in Indien bildet rund 2 % der Bevölkerung. Die meisten Sikhs wirst du in der Hauptstadt Delhi, sowie dem Bundesstaat Punjab im Nordwesten des Landes antreffen.
Außerhalb Indiens haben sich die Sikhs überwiegend in Großbritannien, Kanada, den USA, Ostafrika und Australien angesiedelt. In Deutschland wohnen bis zu 25.000.
Der Sikhismus ist im Vergleich zu anderen Religionen noch gar nicht so alt. Seine Geschichte begann Ende des 15. Jahrhunderts im Norden Indiens.
Guru Nanak (geboren 1469 im heutigen Pakistan) wuchs mit den Lehren des Hinduismus und Islam auf. Beide Religionen hatten jedoch aus seiner Sicht Schwachstellen, die er nicht hinnehmen wollte. Für ihn war absolut klar, dass es nur einen Gott gibt.
Außerdem war er seiner Zeit weit voraus: Er glaubte an die Gleichheit aller Menschen, die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau und lehnte das Kastensystem ab. Sein Glaube war viel mehr als nur die Vermischung von Hinduismus und Islam – er wollte etwas ganz Neues erschaffen.
Er unternahm fünf Missionsreisen (Udasiya), um seine innovative Denkweise zu verbreiten. Sie führten ihn nicht nur in viele Teile Indiens, sondern unter anderem auch nach Sri Lanka, Afghanistan, Ägypten, Iran, Saudi-Arabien, Syrien und Südwestchina.
Im Laufe der Zeit gab es neun weitere Gurus (deutsch: Lehrer, spiritueller Führer), wobei der 10. Guru – Guru Gobind Singh – eine entscheidende Rolle spielte.
Bevor er im Jahr 1708 verstarb, beschloss er die Reihe der lebenden Gurus zu beenden. Er machte die Heilige Schrift zum letzten, unsterblichen Guru. Bis zur heutigen Zeit verehren die Sikhs das Buch mit den Heiligen Schriften (Guru Granth Sahib) als ihren einzigen Gott.
Woran glauben Sikhs?
1. Es gibt nur einen Gott
Die Sikhs glauben an einen Gott. Ganz im Gegensatz zu den Hindus, die weit mehr als 330 Millionen Götter verehren. Auch die Heilige Schrift beginnt mit den Worten „Ik Onkar„. Zu Deutsch: „Es gibt nur einen Gott“.
Der Sikhismus Gott kennt kein Geschlecht und stellt keine Person dar. Es gibt kein Bildnis Gottes, weshalb die Sikhs stattdessen dieses Symbol verwenden.
Sie glauben daran, dass alle Menschen gleich sind und es für alle nur einen, universellen Gott gibt. Deshalb macht es aus ihrer Sicht keinen Sinn, mit Anhängern anderer Religionen darüber zu diskutieren, welche die bessere ist.
2. Guru Granth Sahib
Die zehn Gurus des Sikhismus fassten ihr Wissen in der Heiligen Schrift Guru Granth Sahib (Granth = Buch, Sahib = Herr) in Form von Versen und Hymnen zusammen.
Zusätzlich wurden Lehren des Hinduismus und Islam mit aufgenommen. Guru Granth Sahib wird im Tempel der Sikhs, dem Gurudwara, aufbewahrt. Viele Gläubige besitzen aber auch eine Kopie der Heiligen Schrift, um zuhause darin zu lesen.
3. Gleichberichtung
Mann und Frau sind bei den Sikhs gleichberechtigt. Bereits Guru Nanak predigte dies vor mehr als 500 Jahren. Und du musst bedenken: Das war damals noch etwas sehr Besonderes. Frauen in Indien wurden zu dieser Zeit massiv unterdrückt, unfair behandelt und es wurde ihnen verwehrt, an religiösen Zeremonien teilzunehmen.
Die Frauen der Sikhs haben stattdessen in Kriegen mitgekämpft, mit den Männern zusammen im Tempel gebetet und religiöse Predigten geleitet.
Guru Nanak glaubte daran, dass beide Geschlechter dieselben Seeleneigenschaften teilen. Es ging nicht unbedingt darum, die Frauen zu stärken. Sein Ziel war vielmehr die Gleichheit aller Menschen.
4. Geburtenkreislauf
Sikhs und Hindus haben eine große Gemeinsamkeit: Sie glauben an die Wiedergeburt und Seelenwanderung.
Jedes Lebewesen durchläuft ihrer Ansicht nach mehrere Zyklen, bevor es zu einem Menschen wird. Oberstes Ziel ist die Mukti – die Erlösung aus dem Kreislauf, die Verbindung der eigenen Seele mit der Seele Gottes.
Doch wie funktioniert dieses Ausbrechen aus dem Geburtenkreislauf?
Dafür müssen die Sikhs die Einflüsse der sogenannte Maya vermeiden. Diese Unwirklichkeit, bestehend aus den fünf Dieben „Ego, Wut, Lust, Gier und Stolz“ würde sie zu sehr von ihrem Gottesglauben ablenken.
Stattdessen sollen sie sich auf Liebe, Mitgefühl, Demut, Wahrheit und Zufriedenheit konzentrieren. Hauptsache das eigene Ego wird nicht in den Vordergrund gestellt.
Sikhs befolgen dabei diese 3 Säulen, um Gott näherzukommen:
Naam Japna: Meditation und Singen des Gottesnamen "Waheguru" (deutsch: wunderbarer Gott)
Kirat Karni: Harte und ehrliche Arbeit, um den Lebensunterhalt zu verdienen
Wand Chhakna: Teilen (des Essens) mit Bedürftigen
Ein weiterer Bestandteil des Sikhismus ist der Dienst für die Gemeinschaft (Seva). Einfache Arbeiten sollen den Gläubigen dabei helfen, ihr eigenes Ego zu vernachlässigen und etwas für ihre Mitmenschen zu tun. Aus diesem Grund helfen sie in den Gurudwaras, indem sie Geschirr spülen, Böden wischen, Kartoffeln schälen, Roti backen usw.
5. Khalsa
Die Khalsa gilt als die Geburtsstunde des Sikhismus in Indien. Zuvor litten alle Menschen, die nicht dem Islam angehörten unter der Verfolgung und Bedrohung der Mogulherrscher. Um dem entgegenzutreten, gründete Guru Gobind Singh 1699 mit der Khalsa eine Art militärische Gemeinschaft, aus der der Sikhismus hervorging.
Um das Kastensystem zu durchbrechen, mussten die Anhänger ihren Nachnamen abgeben. Denn dieser gab oft Hinweise darauf, aus welcher Kaste eine Person stammte. Die Männer erhielten den Namen Singh (Sanskrit für Simbha = deutsch: Löwe), die Sikhismus Frauen Kaur (deutsch: Prinzessin).
Um sich von anderen Glaubensgemeinschaften zu unterscheiden, trugen sie einheitliche Kleidung und befolgten die fünf Kakars.
Die 5 K`s
Gläubige Sikhs halten sich noch heutzutage an diese fünf Elemente:
Kesh (lange, ungeschnittene Haare):
Den Sikhs ist es nicht erlaubt, sich die Haare abzuschneiden. Eigentlich gilt dies auch für den Bart, was aber besonders junge Männer heute nicht mehr allzu ernst nehmen. Männliche Sikhs (sowie manche Frauen) tragen einen Turban, um ihre Haare zu bedecken.
Khanga (Holzkamm):
Der Kamm dient als Zeichen der Sauberkeit.
Kachera (Baumwollunterhose):
Diese knielange Unterhose ist äußerst bequem, was früher vor allem beim Reiten von Vorteil war. Ein Sikh konnte jederzeit in den Krieg ziehen, da sie einfach zu tragen und zu waschen war. Außerdem erinnert sie ihn stets daran, sich zu kontrollieren und nicht der Lust (einem der fünf Dieben) nachzugeben.
Kara (Stahlarmreif):
Die runde Form dieses Armreifs steht für die Unendlichkeit und die göttliche Energie, die keinen Anfang und kein Ende kennt. Er erinnert den Träger stets Wahrheit, Ehrlichkeit und Stärke zu bewahren.
Kirpan (Dolch):
Der Dolch gilt als Symbol religiöser Freiheit. Die Sikhs sollen damit die Schwächeren beschützen und Gerechtigkeit wahren.
Dies bedeutet nicht, dass jeder Sikh, den du in Indien auf der Straße triffst, einen Dolch mit sich trägt. Viele haben ihn nur noch als Symbol ihres Glaubens an einer Kette um den Hals hängen.
Der Turban ist zwar auch ein Markenzeichen der Sikhs, zählt jedoch nicht zu den 5 K`s.
Das Symbol des Sikhismus
Die Khanda ist das Symbol der Sikhs, welches sich aus mehreren Elementen zusammensetzt:
In der Mitte befindet sich ein zweischneidiges Schwert, was ebenfalls als Khanda bezeichnet wird. Es soll das Gute von dem Bösen trennen. Der sich darum liegende Wurfring – Chakar – steht wie die Kara für die Unendlichkeit Gottes.
Die Balance zwischen spiritueller und weltlicher Macht wird mithilfe der zwei Säbel – Kirpans – verdeutlicht.
Das Sikhismus Symbol findest du unter anderem auf der Flagge der Sikhs, der Nishan Sahib.
Rituale und Zeremonien des Sikhismus in Indien
Taufe (Amrit)
Namenszeremonie (Namkaran)
Dastar Bandi (erstes Turbanbinden)
Todeszeremonie (Sikhs werden nach ihrem Tod meist innerhalb von 24 Stunden verbrannt und in einem Gewässer verstreut. Es gibt keine Denk- oder Grabmäler.)
Hochzeitszeremonie (Anand Karaj)
Was ist im Sikhismus verboten?
Streng gläubige Sikhs trinken keinen Alkohol, rauchen nicht, essen kein Fleisch und auch keine Eier. Zudem ist im Sikhismus das Haare- und Bartschneiden verboten.
Sex vor der Ehe ist ebenfalls nicht erwünscht, um der Lust (einer der fünf Diebe) zu entgehen.
Wie kann ich zum Sikhismus konvertieren?
Sikh ist jeder, der den Weisheiten des Gurus und den Glaubenssätzen des Sikhismus folgt. Möchtest du offiziell in einem Gurudwara registriert werden, musst du spezielle Zeremonien und Rituale durchlaufen.
Feiertage des Sikhismus
Im Sikhismus wird jeder Geburtstag der zehn Gurus gefeiert. Hierbei ist Guru Nanak Gurpurab, der Geburtstag des Gründers des Sikhismus, für die Sikhs von großer Bedeutung.
Einen Sikh Tempel (Gurudwara = Tür des Gurus) erkennst du schon von weitem an seinem hohen, mit orangen Tüchern umwickelten Fahnenmast. An diesem befindet sich am oberen Ende die Flagge Nishan Sahib mit dem Symbol der Sikhs.
Der Mast soll den Menschen den Weg zum Gurudwara leiten, wo sie stets Unterschlupf und etwas zu Essen erhalten können.
Denn das ist das Besondere eines Gurudwaras: Jeder Mensch kann ihn besuchen. Alter, Geschlecht, Herkunft und Religion sind unwichtig. Alle sind willkommen, haben die Möglichkeit zu beten, den Tempel zu besichtigen oder in der öffentlichen Küche (Langar) eine freie Mahlzeit zu sich zu nehmen.
Das Essen ist vegetarisch. Nicht, weil alle Sikhs strenge Vegetarier sind, sondern damit es Menschen jeder Religion essen können. Besonders bemerkenswert: Niemand ist hier angestellt, alles läuft auf freiwilliger Basis ab.
Ein paar Vorbereitungen sind notwendig
Möchtest du einen Sikh Tempel besichtigen, musst du dich nur an ein paar Regeln halten:
Ziehe deine Schuhe aus (dafür gibt es extra Schuhabgabestellen)
Bedecke deinen Kopf (nimm dir einen Schal mit oder verwende ein vom Gurudwara bereitgestelltes Tuch)
Wasche deine Hände und Füße (vor dem Eingang gibt es Wasser- und Waschbecken)
Im Zentrum des Tempels befindet sich der Guru Granth Sahib auf einem Kissen. Mit Sicherheit wird dir ein Sikh auffallen, der hinter dem Buch sitzt und mit einem Wedel schwenkt. Damit vertreibt er die Fliegen, wie er es auch für einen menschlichen Guru tun würde.
Wenn du möchtest, kannst du es den Gläubigen nachmachen und dich vor dem Buch verneigen. Knie dich dafür hin und berühre mit deiner Stirn den Boden.
Mein Indiansmile-Tipp für dich:
Achte darauf, dass du dem Guru nicht deinen Rücken zuwendest. Zeige außerdem nicht mit deinen Füßen auf ihn. Möchtest du dich hinsetzen und die prachtvollen Kronleuchter, goldenen Wände und bunten Gewänder der Sikhs beobachten, setzt du dich am besten im Schneidersitz hin.
Die Nacht verbringt Guru Granth Sahib übrigens in einem separaten Raum. Früh morgens wird er „geweckt“ und zum Altar getragen. Dort liest ein Priester daraus vor, was als Paath bezeichnet wird. Anschließend werden Shabad Kirtan (religiöse Hymnen) gesungen und mit einem Ardas (Gebet) der Gottesdienst beendet.
Nachdem du den Tempel verlassen hast, wirst du die Karah Prasad (heilige Speise) erhalten – eine Süßspeise aus Mehl, Butterschmalz (Ghee) und Zucker. Empfange sie, indem du deine beiden Handflächen zu einer Schale formst.
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